Zukunftsorientierte Wohnmodelle
         für junge Erwachsene durch Umnutzung
von leerstehenden Gebäuden

 

Herkunft und Entwicklung der Projektidee

Im Rahmen eines regionalen Agenda 21-Projektes in Oberösterreich wurde festgestellt, dass mangelnder attraktiver und bezahlbarer Wohnraum einer der wesentlichen Gründe ist, warum junge Erwachsene nicht im ländlichen Raum bleiben bzw. nach Ausbildung oder Studium nicht wieder zurück in die ländlichen Gemeinden kommen, obwohl dort genügend Arbeitsmöglichkeiten vorhanden wären und dringend Fachkräfte gebraucht würden.

In Gesprächen mit Vertretern des Gemeindetags Baden-Württemberg, der Handwerkskammer Freiburg sowie der IHK Schwarzwald-Baar-Heuberg (Bündnis Ländlicher Raum) wurde bestätigt, dass auch in ländlichen Gemeinden in Ba- den-Württemberg passgenauer, attraktiver und bezahlbarer Wohnraum für junge Erwachsene fehlt. Auch die ersten Ergebnisse einer aktuellen Jugendstudie in Baden-Württemberg zeigen auf, dass Wohnen ein wichtiges Thema für die Jugendlichen ist, und dass z. B. bedarfsgerechte Wohnangebote für Auszubildende fehlen.

Gleichzeitig stehen in vielen Ortszentren Gebäude leer, die mit einem guten und tragfähigen Nutzungskonzept um- gebaut und einer neuen Nutzung zugeführt werden könnten. Mit passendem Wohnraum allein ist es jedoch noch nicht getan: Junge Erwachsene schätzen die vielen Vorteile, die das Leben auf dem Land ihnen bietet – aber gleich- zeitig haben sie Bedürfnisse und Vorstellungen, die für sie zu einem„modernen“ Landleben gehören.

  • Die 1. Wohnung: Bei der ersten Haushaltsgründung kommt es vor allem auf günstige Miete, rasche Verfügbarkeit, geringe Verbindlichkeit, individuelle Förderungen, etc. an.
  • Dynamische Lebensphase: Die Lebensphase zwischen 20 und 35 Jahren ist häufig geprägt von Bedürfnissen nach hoher Flexibilität und Veränderbarkeit, multilokalen Lebensformen, kurzfristiger Planung und Spontanität.
  • Gemeinschaft und Nachhaltigkeit: Junge Erwachsene möchten häufig nicht alleine und doch selbstständig leben, einen sozialen und nachhaltigen Lebensstil führen, sich gegenseitig unterstützen und austauschen und/ oder Kinder in Gemeinschaft erziehen können.
  • Wohnen und Mehr: Nicht nur die„eigenen vier Wände“, auch die Möglichkeiten bzw. Angebote hinsichtlich Mobilität, Freizeitangebote, Kombinationen von Wohnen und Arbeit, Gemeinschaft mit Nachbarn, ... sind wesentliche Faktoren bei der Standortwahl.

Projektziele

  • Bewusstseinsbildung: Junges Wohnen zum Thema machen – Lust darauf machen, sich mit der Zielgruppe der jungen Erwachsenen zu beschäftigen und selbst Wohnmodelle für junge Erwachsene zu entwickeln
  • Attraktives und innovatives Wohnen für junge Erwachsene in ländlichen Gemeinden schaffen
  • Ortskern- / Innenentwicklung im ländlichen Raum stärken
  • Leerstände umnutzen: Wohnhäuser, Pfarrhäuser, Schulen, Rathäuser, Supermärkte, Hallen, Scheunen ...
  • Know-how zur Umnutzung von alten und denkmalgeschützten Gebäuden sowie deren Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten verbreiten
  • Fachkräfte im ländlichen Raum halten bzw. gewinnen 
  • Ländliche Kommunen im Standortwettbewerb stärken

Projektbeteiligte

Träger:
Junges Wohnen soll als Modellprojekt des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz konzipiert und realisiert werden.

Projektpartner:
SPES e.V. – mit weiteren beteiligten Partnern: sutter3, K-Punkt Ländliche Entwicklung

Ideelle Partner:
Gemeindetag Baden-Württemberg, BWGV (Baden-Württemb. Genossenschaftsverband)

Projektteilnehmer:
6 Modellgemeinden aus dem ländlichen Raum in Baden-Württemberg

Vorgehensweise und Methodik

Die teilnehmenden Modellgemeinden werden in gemeindeübergreifenden Fokusgruppen begleitet, wobei die Methode design thinking angewandt wird. Design thinking ist ein Ansatz zur kreativen Problemlösung und zur Entwicklung neuer Ideen.

An den Fokusgruppen-Treffen nehmen pro Gemeinde ca. 3 bis 4 Personen teil: Bürgermeister bzw. Vertreter der Kirchengemeinde, Vertreter des Bauamtes oder des Bauausschusses, Objekteigentümer.

Im Anschluss an die gemeindeübergreifenden Fokusgruppen-Treffen gibt es z.T. noch ergänzende Workshops auf Gemeindeebene in jeder Modellgemeinde.

Projektschritte

1. Suche und Auswahl von Modellgemeinden

Die Akquise und Auswahl der Modellgemeinden soll zielgerichtet erfolgen:

  • Bewerbung des Modellprojektes bei Gemeinden im Ländlichen Raum
  • Erarbeitung eines Auswahlverfahrens für Gemeinden (Kriterienkatalog)
  • ggf. Vorstellung des Projektes vor Ort und Beschlussfassung über Teilnahme durch Gemeinderat bzw. Kirchen- / Pfarrgemeinderat

 

2. Impulsveranstaltung (für alle Modellgemeinden)

Zur Ausgangsfrage: Wie müssen Wohnangebote in unserer Gemeinde geplant werden, damit sie so attraktiv für junge Er- wachsene im Alter von 18 bis 35 Jahren sind, dass diese Menschen gerne in der Gemeinde / Region bleiben oder zurück- kehren? Aus der Recherche und unserer Beschäftigung mit der Zielgruppe zeichnet sich Junges Wohnen durch folgende Qualitäten aus:

  • Vielfältige individuelle Wohnangebote mit Charme
  • Ein guter Mix an Wohnungsgrößen für diese dynamische Lebensphase
  • Modelle zur besseren Leistbarkeit bzw. Flexibilisierung üblicher Miet-Praxen (Kautionsmodelle, Kücheneinbau, Bonus für freiwilliges Engagement, ...)
  • Spürbares ökologisches Bewusstsein
  • Möglichkeit zu gemeinschaftlichem Wohnen
  • Wohnen im Ortszentrum (Wohnen im Zentrum ist für junge Menschen wieder attraktiv)
  • Neue Wohnraum-Lösungen in bestehenden Siedlungen (als Alternative zum Ausbau des Elternhauses)
  • Alternative Finanzierungsmöglichkeiten

 

Aufgabenstellung an die teilnehmenden Gemeinden
im Anschluss an die Impulsveranstaltung:

  • Erhebung aller leerstehenden zentrumsnahmen Ob- jekte, die für eine Wohnraumnutzung möglich sind
  • Informationseinholung über Eigentümerinteressen; Eigentümerbereitschaft zur Neunutzung sowie planerischer Grundlagen der Istbestände

Ziel dieses Schrittes:
Sensibilisierung für die Wohnansprüche junger Menschen und Erweiterung unseres bisherigen Blickfeldes zur Leerstandnutzung

 

3. Austausch zum Thema „Bestehende Leerstände“ (Fokusgruppe)

Bei diesem Treffen werden zum einen die leerstehenden Gebäude durch die GemeindevertreterInnen vorgestellt. Zum anderen erarbeiten wir gemeindespezifisch potentielle Zielgruppen (StudentInnen, Fachkräfte, Auszubildende, Multilokal- lebende etc.), sowie das derzeitige Angebot für diese Menschen. Daraus leiten wir neben der Wohnraumnutzung weitere Bedarfe ab (z.B. Co-Working- und Co-Learning-Arbeitsplätze, Mobilitätsangebote, Car-Sharing) und können Rückschlüsse auf die Größen bzw. den maximalen Kostenrahmen für Mieten ableiten.

Aufgabenstellung:
Spezifizierung der Zielgruppe, Erarbeitung einer Empathie-Map, Erarbeitung weiterer Angebote

Ziel dieses Schrittes:
Die teilnehmenden Gemeinden können sich auf ihren Schwerpunkt fokussieren und dafür passende (leerstehende) Objekte eruieren.

 

4. Grundlagen der finanziellen Projektgestaltung (Fokusgruppe)

Mit diesem Impuls werden verschiedene Förderprogramme, alternative Finanzierungsmöglichkeiten, Trägermodelle und neue Kooperationsformen vorgestellt. Belastbare Berechnungen zeigen an konkreten Beispielen auf, wie durch einen passgenauen Einsatz von Förder-und Finanzierungsmöglichkeiten, sowie ggf. durch innovative Träger- und Kooperations- modelle ein Umbau bestehender – auch denkmalgeschützter – Gebäude tatsächlich realisierbar und oftmals finanziell tragfähiger sein kann als Abriss und Neubau.

Aufgabenstellung:
Zusammenstellung von Förder- und Finanzierungs- modellen sowie neuen Trägermodellen und Kooperationsformen zur Realisierung.

Ziel dieses Schrittes:
Die Teilnehmenden lernen neue Möglichkeiten kennen, wie ein Umbau ihres Gebäudes ggf. finanziell realisiert werden könnte und sind motiviert für die folgenden Projektschritte.

 

5. Besprechungen und Beratungen (in allen Modellgemeinden)

Im Anschluss an das Fokusgruppentreffen zur finanziellen Projektgestaltung finden in jeder Modellgemeinde Bespre- chungen vor Ort statt mit Bauausschuss, Gemeinderat / Pfarrgemeinderat, Objekteigentümern.

 

6. Ideenfindungsphase (Fokusgruppe)

Pro Objekt werden mehrere Nutzungsoptionen überlegt und in ersten Entwürfen und Planungsvarianten durch Architekten skizziert. Mit dieser Konkretisierung wird ein grober finanzieller und baulicher Aufwand dargestellt. Auf Grundlage dieser Ideenentwicklung können danach Bedarfserhebungen und Zielgruppenworkshops in den Modellgemeinden erfolgen.

Aufgabenstellung:
Ideenfindung und Entscheidung für Nutzungs- varianten der ausgewählten Objekte.

Ziel dieses Schrittes:
Ideale Formen zur Leerstandnutzung bei gleichzeitig möglichst geringen bautechnischen Maßnahmen.

7. Bedarfserhebungen und Resonanzworkshops mit der Zielgruppe Junge Erwachsene (in allen Modellgemeinden)

  • Bedarfserhebung: Je nach Nutzungsvarianten werden in diesem Schritt nun Bedarfserhebungen durch die Modell- gemeinden durchgeführt. Diese Bedarfserhebungen können unterschiedliche Formate haben (schriftliche Befragung der Zielgruppe, Bedarfsermittlung vonseiten der Unternehmen für ihre MitarbeiterInnen, ...).
  • Durchführung eines Zielgruppen / Resonanzworkshops mit jungen Erwachsenen: Auf Grundlage der Bedarfs- erhebung sowie der Ideenkonzipierung in der bisherigen Prozessarbeit wird nun in jeder Modellgemeinde ein Ziel- gruppenworkshop durchgeführt. In diesem Workshop werden die Ideen sowie die Ergebnisse der Bedarfserhebung vorgestellt, mit den TeilnehmerInnen diskutiert und spezifiziert.

Aufgabenstellung:
Konkrete Bedarfserhebung und weitere Konkretisierung.

Ziel dieses Schrittes:
Jede Gemeinde kennt ihren objektivierten Bedarf und bindet betroffene Zielgruppen / junge Erwachsene in die weitere Entwicklung ein.

 

8. Exkursion (für alle Modellgemeinden)

Im Rahmen einer dreitägigen Exkursion werden bereits realisierte ähnliche Wohn- und Lebensräume für junge Menschen besucht, um daraus wiederum praktische Impulse für das eigene Projekt zu bekommen.

Aufgabenstellung:
Suche nach vergleichbaren umgesetzten Projekten (auch in Städten) in Deutschland, Österreich und in der Schweiz.

Ziel dieses Schrittes:
Erkenntnisgewinn für die Umsetzung in der eigenen Gemeinde.

 

9. Prototypenentwicklung (Fokusgruppe)

Nach einer gegenseitigen Vorstellung der Bedarfserhebungen sowie der Zielgruppenworkshops werden die Entwürfe entsprechend angepasst und einzelne Ideen auch für andere teilnehmende Gemeinden unter Umständen adaptiert. Zu manchen Ideen werden unter Anleitung kreative Prototypen entwickelt, um dadurch die Innovationskraft und letztend- lich die Strahlkraft des künftigen Projektes zu erhöhen.

Aufgabenstellung:
Innovative bedarfsorientierte Lösungsmodelle erarbeiten.

Ziel dieses Schrittes:
Die innovativen Lösungsvorschläge sind soweit konkre- tisiert, dass sich die Entscheidungsträger damit identifi- zieren und weitere Planungsschritte veranlassen können.

 

10. Ortsspezifische Beratung zu Finanzierungs- und Trägermöglichkeiten (Fokusgruppe)

Ein Überblick über Förderungen, Finanzierungsvarianten und Kooperationsmodelle verschafft Klarheit über den tatsäch- lichen Finanzierungsbedarf und die nächsten Schritte.

Aufgabenstellung:
Zusammenstellung der Förder- und Finanzierungs- modelle sowie Kooperationsformen zur Realisierung.

Ziel dieses Schrittes:
Für jedes Objekt liegt eine ideale Förder- und Finanzierungsstruktur vor, mit welcher die nächsten Schritte eingeleitet werden können.

 

11. Festlegung konkreter Umsetzungsschritte pro Gemeinde und Realisierungsplanung (Fokusgruppe)

Die gemeindeübergreifenden Fokusgruppen-Treffen schließen mit der Planung konkreter Schritte zur Umsetzung für jede Gemeinde auf Basis der bisher entwickelten Konzepte und Berechnungen. Die Gemeinden präsentieren sich gegen- seitig ihre Realisierungsplanungen, erhalten Feedback von den anderen Pilotgemeinden und können deren Anregungen ggf. noch in ihre finalen Realisierungsplanungen einbinden.

Im Anschluss an das Projekt können auf Basis der erarbeiteten Ergebnisse konkrete Entwurfsplanungen durch Architekten entwickelt werden. Diese sind nicht mehr Bestandteil des Modellprojektes und werden individuell durch die Gemeinden oder Eigentümer beauftragt.

 

 

13. Abschlussbericht und Dokumentation der Projektergebnisse

Die wesentlichen Erkenntnisse (lessons learned) aus dem Modellprojekt werden ausgewertet und in einem Abschluss- bericht formuliert, so dass sie für eine mögliche künftige Ausweitung des Projektes auf weitere Gemeinden in BW ge- nutzt werden können (Was lief gut? Wo gibt es Stolperfallen? Was sollte bei einem weiteren Projekt ggf. angepasst werden? ...)

Die Projektergebnisse werden im Rahmen einer Broschüre dokumentiert.


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